Mein größter Irrtum als Junglehrer: Ich dachte ernsthaft, ich hätte die eine Methode gefunden, die mich zum Dompteur des Klassenzimmers macht. Spoiler: nope.
Der Methodenzirkus
Neueinsteiger erkennt man daran, dass sie mit glänzenden Augen ins Klassenzimmer stürmen – bepackt mit Laminiergerät, Bastelschere und irgendeinem „geheimen“ Classroom-Management-System. Murmeln im Glas. Virtuelles Geld. Stickerkarten. „Wenn ihr brav seid, gibt’s ein Kinoticket aus Pappe!“
Klingt cool. Sieht auf Insta super aus. Aber ehrlich: Das Laminiergerät wird gefoltert, der Drucker heult, und am Ende sitzt man Sonntagabend auf dem Boden, umgeben von laminierten Versprechen.
Spoiler Nummer zwei: Es wirkt. Meist gut. Aber dann klappt es plötzlich nicht mehr. Mitten in einer kack Woche: Schicht im Schacht. Ende Gelände.
Ich hab inzwischen im Klassenraumschrank ein ganzes Fach für gescheiterte Management-Tools – alle einmal gehypt, alle tot. Ein Friedhof voller Stickerkarten, Schilder und Lobampeln.
Meine Montagskrankheit
Meine Klasse hatte irgendwann Angst vor Montagen. Nicht, weil Mathe anstand. Sondern weil sie wussten: „Oh nein, Herr Kaucke hat wieder was Neues von Insta.“ Und sie hatten recht. Ich war so ein Opfer. Jede zweite Woche ein neues Spielchen. Jedes Mal der Glaube: Diesmal klappt’s aber wirklich.
Ergebnis: Die Kids genervt, die Kolleg:innen genervt, ich genervt.
Zwei-bis-drei-Wochen-Haltbarkeit
Eine bekannte Fachleiterin hat’s mal brutal ehrlich gesagt: „Alles, was du ausprobierst, funktioniert. Aber nur zwei bis drei Wochen.“ Und genau so ist es. Danach brauchst du den nächsten Trick aus der Zauberkiste. Und wenn du zu oft zauberst, hassen dich alle.
Meine Realität heute: schlicht, konsequent, unberechenbar
Ja, ich hab einen Putzdienst. Ja, ich hab einen Tafeldienst. Mehr nicht. Und wer zu spät kommt, kriegt Nachsitzen nach der Schule – wenn ich gerade Zeit habe. Unangekündigt. Reine Glückssache. Manchmal hast du Pech, manchmal nicht. Funktioniert besser als jedes Punktesystem.
Wichtiger als alles andere: Teamarbeit mit den Kolleg:innen. Wenn einer meiner Kids bei jemand anderem Scheiße baut, will ich’s wissen. Dann gibt’s Konsequenzen. Mal Schulhof fegen mit der Putzkralle, mal morgens beim Schleppen helfen.
Und sonst? Kein Firlefanz. Kein Murmelglas. Kein Monopoly-Geld. Keine Bildergalerie von „heute wart ihr brav“. Mein Klassenraum ist sauber, meine Kids sind pünktlich, meine drei Klassenregeln hängen an der Wand – fertig.
Wenn die Klasse denkt, heute ist Anarchie
Kleiner Reality-Check: Jede Klasse hat Vertretungsunterricht. Und Vertretungsunterricht ist die Hölle, wenn du die Kids nicht kennst und null Sanktionsmöglichkeiten hast. Dann drehen die frei, wie ein Vollidiot auf Energy-Drink, stellen die Sitzordnung neu zusammen und feiern Klassenclown-Festival.
Damit das nicht passiert, braucht’s keine Murmel, sondern ein simples Signal: „Wenn ihr Mist baut, erfahr ich’s. Punkt.“
Wichtiger als jede Strafe ist, dass meine Kids immer wissen: Ich spreche mit Kolleg:innen. Ich chill nicht im Lehrerzimmer, ich bin vernetzt.
Das ist übrigens nicht nur gesunder Menschenverstand, sondern hat auch ein fancy Label: Neue Autorität. Heißt im Kern: Ich muss nicht laut sein, nicht Strafen hageln lassen – ich muss sichtbar, präsent, standhaft sein. Kommunikation statt Machtspiel. Ein Dorf erzieht ein Kind. Und eine Schule erzieht eine Klasse. Und das ist knallharte Arbeit.
Für meine Klasse bin ich verantwortlich. Immer. Und meine Klasse weiß: Auch in Vertretung gilt das.
Fazit: Präsenz schlägt Laminiersucht
Classroom-Management-Tools sind wie Fitness-Gadgets: Sie machen Spaß, sie sehen fancy aus, aber am Ende liegt’s nicht am Springseil, sondern an dir, ob was passiert.
Also ja, ich habe Regeln. Ich habe Konsequenzen. Aber der Rest? Ist Ballast.
Präsenz schlägt Murmelglas. Immer. Eine Klasse läuft nur, wenn die Klassenleitung präsent und vernetzt im Kollegium ist.
PS. Für die Erkenntnis habe ich vier Jahre als Klassenlehrer gebraucht.

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