Ich hab in den letzten Monaten etwas festgestellt, das so banal klingt, dass ich es eigentlich nicht laut sagen will: Guter Unterricht entsteht nur dann, wenn man ihn vorbereitet. Wirklich vorbereitet. Nicht halbherzig, nicht reflexhaft, nicht „Buch auf, Seite 37“. Sondern: Lernziel klären, Aufgabe bauen, Schwierigkeit prüfen, Lerngruppe mitdenken, Stolperstellen antizipieren, Abschluss sichern. Dieser langweilige, unsexy, aber überlebenswichtige Teil des Lehrerberufs.
Theorie als Show – Realität als Nebenkriegsschauplatz
Das Referendariat hat uns beigebracht, Unterricht als Theater zu sehen. Hochglanzstunden, perfekte Sozialformen, ästhetisch ausgewogene Medienarrangements, und bitte lächeln. Alles wunderbar — nur eben völlig losgelöst vom echten Alltag, in dem niemand mit 28 Siebtklässler:innen den eigenen Namen tanzt. Und so entsteht diese subtile Anti-Haltung gegen dezidierte Unterrichtsvorbereitung. Man verknüpft Planen mit Stress, Abgabe, Bewertung und einem sinnlosen „Didaktik-Zirkus“. Nicht mit Qualität. Nicht mit Klarheit. Nicht mit Alltag.
Wie ich früher „vorbereitet“ habe: Reihenplanung als pädagogischer Selbstbetrug
Bevor ich kapiert hab, was richtige Vorbereitung eigentlich bedeutet, dachte ich, ich wäre voll im Game. Ich hatte sehr ausgeklügelte Reihenplanungen, ganze Lernlandschaften, fein säuberlich sortierte Materiallager wie ein pädagogischer Obi. Ich wusste, was die Kids am Ende einer Reihe können sollten, und dann hab ich mich Stunde für Stunde bedient wie am All-you-can-teach-Buffet: „Heute nehme ich das Blatt aus dem einen Persen Heft, vielleicht auch die Station da hinten, mal schauen, was die Meute so hergibt.“
Ich hab erklärt, sie haben nachgemacht. Sie haben irgendwas repliziert, das entfernt wie Lernen aussah. Nur: Verstanden hat davon niemand wirklich was.
Und, Hand aufs Herz: Ich hatte damit keine echte Stundenplanung. Ich hatte nur eine Komfortzone und Rechtfertigung für mein Gewissen. Ein Baukasten, der so tat, als sei er didaktisch nachhaltig angelegt. In Wahrheit hab ich’s mir einfach gemacht. Zu einfach.
BTC: Die Ehrlichkeitsmaschine
Das Denkende Klassenzimmer (Building Thinking Classrooms, kurz BTC) war der Moment, an dem dieses ganze Reihenplanungs-Gebäude in sich zusammenfiel – nicht böse, sondern ehrlich. BTC ist wie ein Lügendetektor für Unterricht: Alles, was man nur halb durchdacht hat, fliegt einen sofort um die Ohren. BTC klappt nicht, wenn man kacke plant.
Meine alte Logik – „Ich hab doch gutes und teures Material, das wird schon“ – ist da einfach gestorben. Denn BTC interessiert kein Materiallager. BTC will für jede Stunde ein Lernziel. Ein echtes. Und eine Aufgabe, die exakt dorthin führt. Und Stolperstellen, die man vorher kennt. Und einen Merksatz, der nicht aus der Hüfte kommt, sondern aus dem Kopf.
BTC hat mich gezwungen, das nachzuholen, was ich jahrelang elegant umschifft habe: Stunden bauen statt aus Kisten ziehen.
Nicht erklären → nachmachen → jammern → korrigieren,
sondern denken → arbeiten → verstehen → sichern.
Erst durch BTC hab ich verstanden, wie blöd ich mich eigentlich selbst belogen habe. Und wie unfassbar mächtig echte Vorbereitung ist, wenn man sie mal nicht als Pflicht, sondern als Werkzeug sieht.
Reflexion: Das unsichtbare Werkzeug, das wenigen üben
Reflexion ist der Teil der Unterrichtsvorbereitung, der in keinem Dienstplan steht, aber den größten Effekt hat und einen weiteren wichtigen Baustein darstellt.
Und nein, ich meine nicht die Reflexion im Stil von „In Phase 3 zeigte sich eine erhöhte Schüleraktivität…“ sondern das echte Ding:
- Was hat funktioniert?
- Was war zu schwer?
- Welche Aufgabe war überflüssig?
- Wo habe ich die Stunde sabotiert?
- Was muss ich morgen anders machen?
- Welcher Merksatz fasst die Stunde zusammen?
- Und haben die Schüler den überhaupt verstanden?
Ich mache das inzwischen nach jeder Stunde im Kopf — drei Minuten reichen. Manchmal schreibe ich mir einen Satz auf. Manchmal nur einen Gedanken wie: „Die Aufgabe war Bullshit weil … .“ Mehr braucht es nicht. Aber ohne Reflexion gibt’s keine Entwicklung.
Die Routine: Gute Vorbereitung kommt nicht über Nacht
Gute Unterrichtsvorbereitung ist kein Impuls. Sie ist Routine. Sie wächst über Wochen und Monate. Sie kostet Energie, und sie kostet Zeit – echte Zeit. Ich setze mich jeden Nachmittag hin und bereite jede kommende Stunden vor. Diese Zeit geht mir im Privatleben ab. Ich habe nicht plötzlich mehr Verfügungsstunden bekommen.
Aber: Mein Unterricht ist besser. Meine Schüler lernen mehr. Und ich selbst bin deutlich zufriedener und klarer.
Mir ist bewusst, nicht jede Kolleg:in kann das stemmen.
Politische Ergänzung
Wir haben (nicht immer!) auch so schlechte Schulleistungen, weil unser Unterricht auch einfach optimierungsbedürftig ist. Weil wir zu wenig gut vorbereiten. Oft einfach ein Buch in Klasse werfen. Weil wir zu selten über guten Unterricht reden. Weil wir glauben, Unterrichten könne jede:r. Wir seien ja Lehrer:innen. Weil wir uns zu selten fragen: Was ist eigentlich das ganz genaue Lernziel der heutigen Stunde?
Und – sagen wir’s einmal ohne Filter – weil wir viel zu viel drum herum machen. Lehrer:innen lehren immer weniger und übernehmen immer mehr das, was eigentlich Aufgabe der Eltern wäre: Erziehen, regulieren, stabilisieren, auffangen, moderieren, therapieren. Dazu kommt der ganze Kram von oben: Programme, Initiativen, Formulare, Verwaltungsportale, Zielvereinbarungen, gut gemeinter politischer Aktionismus im Halbjahrestakt.
Alles nett gemeint. Alles zeitraubend. Alles am Kern vorbei.
Solange wir so tun, als ließe sich Unterricht durch neue Initiativen und Tools verbessern, statt durch Vorbereitung, wird sich an den Leistungen unserer Kids nichts ändern. Lehrer:innen brauchen Zeit.
Fazit:
Keine Wunder, keine Magie. Nur Vorbereitung. Es ist banal. Es ist peinlich, dass man es erst nach Jahren versteht.
Guter Unterricht entsteht nicht durch Talent oder Charisma – sondern vor allem durch Arbeit vorher. Und die Zeit die man sich dafür nimmt.

Sag mir die Meinung. Bleibt privat. Wird nicht veröffentlicht.