Als unsere Schule vor ein paar Jahren mit Schul-iPads ausgestattet wurde, war ich Feuer und Flamme: noch frisch aus dem Ref, Corona gerade so durch, voller Hoffnung, dass jetzt der große Aufbruch kommt. Jedes Kind ein iPad – das klang nach Zukunft. Nach Chancengleichheit. Nach: Jetzt ändert sich was.
Ich war naiv.
Die Realität: Kolleg:innen mussten sich ihre Geräte selbst besorgen. Wer unterrichten wollte, brauchte ein eigenes. Es gab keine flächendeckende Ausstattung für Lehrkräfte. Höchstens konnte man sich das iPad der Klasse „ausleihen“. Und Unterricht vorbereiten, Materialien strukturieren, alles konsistent pflegen – das geht halt nicht im Wechselbetrieb. Das geht nur mit eigenem Gerät.
Viele Kolleg:innen haben die Hürde nie genommen: zu aufwendig, zu fremd, zu viel. Verständlich. Und so gibt’s bei uns heute ganz unterschiedliche Formen: analoge Inseln, digitale Experimente, alles nebeneinander. Ich selbst? Ich hab’s digital durchgezogen – weil ich eh schon lange mit iPads arbeite. Weil ich sehen wollte, ob es wirkt.
Heute bin ich Medien- und Digitalisierungsbeauftragter. Also der Typ, der nicht nur Technik einrichtet, sondern auch noch konzeptionell denken soll. Apps ausprobieren, Methoden testen, Geräte einrichten, erklären, installieren, verwalten. Acht Seiten iPad-Vertrag pro Kind. Mehr Stempel als auf einem DDR-Grenzübergang.
Aber das ist Randrauschen. Wichtiger ist: Seit über vier Jahren haben wir eine 1:1-Ausstattung. Jedes Kind ein iPad. Und was soll ich sagen: Der Schnitt bleibt gleich. Mies. Digital statt analog – aber nicht besser. Die digitalen Kompetenzen? Nicht spürbar besser.
Ich hab alles ausprobiert: Digitale Hefte in GoodNotes, QR-Codes, Erklärvideos, differenzierte Aufgaben, alle erdenklichen Apps und Methoden. Hab iPad-Stifte organisiert, Ordnerstrukturen beigebracht, Materialien neu digital gedacht und erstellt, Lernplattformen (Logineo LMS, Padlet, TaskCards, Notions) genutzt, digitale Klassenarbeiten geschrieben, Geduld gehabt. Alles. Jede Lerngruppe ein Test.
Ergebnis: Ernüchterung. Die Guten blieben gut. Die Schwachen blieben schwach. Und das iPad? Sieht schick aus, leuchtet nett – aber lehrt nicht besser.
Ich kenne alteingesessene Kolleg:innen, die gehen nur mit Buch, Kreide, Rotstift, und Taschenrechner in den Unterricht. Keine Show, keine Technik. Aber die wissen, wo’s hakt. Können erklären, führen, steuern. Und machen schlicht den besseren Unterricht. Weil sie’s können.
Ich bin mehrmals im Jahr auf Treffen der Digitalisierungsbeauftragten. Vorrangiges Dienstgeschäft. Da trifft man fast immer zwei Arten von Typen: Die einen feiern sich und ihren Unterricht – alles läuft, alles geil, alles iPad. Die anderen sind durch. Zynisch. Bitter. Die Wahrheit? Liegt irgendwo dazwischen. Und ist meistens ernüchternd.
Denn wenn man genauer hinschaut bei den iPad-Jubler:innen: Da leuchtet viel – weil’s ein Bling-Bling-Bildschirm ist. Aber die Ergebnisse? Genauso schlecht wie bei allen anderen. „Alles noch in Beta-Phase, aber vielversprechend.“ Es sieht gut aus, wirkt modern – bringt aber keinen Unterschied.
Die Studien sagen’s auch: Digitalisierung bringt für sich genommen keinen Lernerfolg. Skandinavien rudert kräftig zurück. Verbannt das iPad und druckt. Schulbücher. Selbst im Silicon Valley schicken Tech-Eltern ihre Kinder auf iPad-freie Schulen.
Nicht falsch verstehen: Der Medienkompetenzrahmen in NRW? Stark. Die KI-Ergänzungen? Durchdacht. Die Inhalte sinnvoll. Nur iPads sind keine Garantie dafür – sie sind eher Zubehör.
Und unsere Schüler:innen? Aufmerksamkeitsspanne im Keller. Motorik: playmobil-Figur. Fenster öffnen? Zu komplex. Handschrift? Neu entwickeltes Sütterlin. Körperhaltung? Frag nicht. Und dann noch mehr Bildschirm?
Ich nutze mein Display / Beamer. Ich mag unsere Schul-App EduPage – wirklich genial, durchdacht, alltagstauglich. Ich teile Materialien, lade Lösungen hoch. Aber ehrlich? Ich mach das für mich. Damit ich sagen kann: Es war alles da. Gesehen hat’s eh nur, wer wollte.
Digital läuft bei mir heute nur noch das Nötigste: Mitschriften hochladen, Musterlösungen bereitstellen, Anforderungen transparent machen. Und ja: ChatGPT und KI. Weil das für mich eine echte Kompetenz ist. Ich zeige den Schüler:innen, wie man damit Probleme löst. Wie man kluge Fragen stellt. Aber ausgewählt.
Ich weiß, das ist unpopulär. Aber ich hab’s ernsthaft versucht. Nicht zwei Wochen, sondern Jahre. Methoden und Tools erprobt, fundiert, gründlich, agil. Studien gelesen. Wie blöde. Unzählige Fortbildungen. Viel Austausch mit klugen Leuten. Und am Ende festgestellt: Es funktioniert nicht. Jedenfalls nicht so, wie es verkauft wurde.
Und so komme ich immer mehr zurück zum Analogen: weil es greifbar ist. Die Kinder gefühlt ablenkungsfreier arbeiten und besser lernen. Ich bin kein Technikgegner. Ich werde iPads weiterhin im Unterricht einsetzen. Wahrscheinlich immer noch mehr als andere. Aber ich bin skeptisch geworden.
Vielleicht ändert sich das nochmal. Vielleicht. Aber Stand heute sage ich: iPads sind kein Gamechanger. Sie sind ein vor allem PR-Instrument. Ein teures Spielzeug.
Guter Unterricht? Durch reflektierte Erfahrungen. Durch gute Erklärungen. Nicht durch mehr Glas, Aluminium und Plastik.

Sag mir die Meinung. Bleibt privat. Wird nicht veröffentlicht.