Alle reden von Feedback. Vor allem auf Insta. Da wird es hochgejazzt wie ein Superfood-Smoothie für den Unterricht: einmal trinken, schon bist du reflektierter, näher dran an den Kids, fast schon ein besserer Mensch.
In echt sieht’s anders aus. Die ersten Rückmeldungen kommen oft erst, wenn’s scheppert. „Der Unterricht ist langweilig.“ „Sie erklären zu wenig.“ Oder es kommt die Zuckerwatte-Version: „Beste Lehrerin / bester Lehrer des Jahrtausends!“ Zettel mit Blümchen, kleine Lobeshymnen. Nett für die Pinnwand, aber pädagogisch null wertvoll. Ich bin nicht Lehrer geworden, um mich loben zu lassen.
Feedback, das wirklich was bringt, sitzt dazwischen. Es kratzt am Ego, aber es zeigt mir etwas, das ich ändern kann. Und genau deshalb nutzen wir es aber viel zu wenig.
Drei Probleme – und das dickste sitzt im Ego
Das erste Problem ist simpel: Zeit. Feedback kostet Minuten, die wir angeblich nicht haben. Jede Stunde ist eh schon vollgepackt, da wirkt Feedback wie Luxus.
Das zweite: Image. Manche Kolleg:innen winken ab. „Feedback? Diese Woke-Scheiße, ich lass mir doch nicht von 15-Jährigen erklären, wie man Unterricht macht.“ Als wäre Schülerfeedback automatisch ein Machtverlust.
Und dann das eigentliche Problem: Eitelkeit. Wir sind zu empfindlich, zu verliebt in die Idee vom „guten Unterricht“. Kritik trifft uns sofort. Statt zu hören „So komm ich besser mit“, hören wir: „Du bist schlecht.“ Man geht raus und denkt: lief doch. Dann liest man: „Sie gehen nie auf unsere Vorschläge ein.“ Und plötzlich kippt die Stimmung. Nicht, weil es falsch ist – sondern weil es persönlich wird.
Ein Ausreißer reicht
Bestes Beispiel: Schülersprechtag. Danach hab ich Feedback eingesammelt – ob die Gespräche sinnvoll waren, ob die Kids ihre Meinung sagen konnten, was sie mitgenommen haben.
Die Ergebnisse: durchweg gut. Und dann: zwei Ausreißer. „Ich konnte nicht meine Meinung sagen.“
Das hat mich getroffen. Weil ich dachte: Moment mal, wir haben doch ein gutes Verhältnis, ihr könnt mir alles sagen. Noch ein Kommentar: „Nicht drüber reden wie schlecht wir sind sondern wie gut wir sind.“ Und sofort: Rechtfertigungsschlaufe im Kopf. Aber ich habe doch jeden gelobt! Ich lobe mehr als andere!
Und trotzdem bleibt der Gedanke: Da waren zwei Personen, die das anders erlebt hat. Und das reicht. Von 25 vielleicht nur zwei – aber zwei, die ich verloren habe. Und genau dafür ist Feedback da.
Eine Konsequenz: beim nächsten Schülersprechtag gibt es einen kleinen Feelgood-Zettel mit Ankreuz-Punkten: „Das läuft super:“ „Das sind deine Stärken:“. Schnell, machbar, ohne viel Zusatzarbeit – aber eben sichtbar für die Kids.
Mikro-Sachen, die alles ändern
Ein anderes Beispiel: Ich arbeite viel mit Building Thinking Classrooms – Schüler:innen stehen an Tafeln, knobeln in Gruppen. Früher bin ich bei der Sicherung oft nur auf ein, zwei Tafeln eingegangen. Der Rest: kommentarlos im Tafelschwamm verschwunden.
Dann kam im Feedback: „Ich verstehe das Thema besser, wenn wir durch alle Tafeln gehen.“ Klingt banal. Ist es aber nicht.
Jetzt machen wir einen Mini-Gallery-Walk – zwei Minuten, mehr nicht. Alle gehen rum, lesen, vergleichen, nicken, hinterfragen. Ich entscheide dann spontan – nach didaktischem Bauchgefühl und auf Zuruf – welche Tafeln wir kurz gemeinsam besprechen.
Und plötzlich kippt was im Raum: mehr Aufmerksamkeit, mehr Stolz, mehr Aha. Feedback hat mir gezeigt: Die Kids wollen nicht nur lernen – sie wollen gesehen werden. Das ist kein Bonus, das ist Didaktik pur. Gemeinsames Hinschauen schärft das Denken.
Der wissenschaftliche Exkurs
Hier kurz der weiße Kittel: Feedback ist kein Kuschelfaktor. In der Unterrichtsforschung gilt es als eine der wirksamsten Interventionen überhaupt. John Hattie nennt Feedback einen „doppelten Verstärker“ – für Lehrende wie für Lernende. Und: Nicht nur Schüler:innen reflektieren ihr Lernen, sondern auch wir reflektieren unser Arbeiten. Genau das ist wechselseitige Anerkennung: Ich nehme dich als Lernenden ernst, du nimmst mich als Lehrenden ernst.
Psychologisch lässt sich das mit „kognitiver Dissonanz“ erklären: Wir haben ein Bild von uns („Ich lobe viel“), Feedback zeigt uns eine Abweichung („Schüler sehen das anders“). Die Dissonanz nervt – aber sie ist der Treiber für Veränderung.
Kurz gesagt: Ohne Dissonanz kein Fortschritt.
Feedback: kurz, klar, strukturiert
Feedback muss schnell gehen – fünf Minuten reichen. Alles andere killt es im Alltag. Aber kurz allein genügt nicht. Wenn die Fragen Bullshit sind, bringt auch der schnellste Bogen nichts.
Das Entscheidende ist die Struktur:
1. Einleitung: Kurze Erklärung, warum Feedback wichtig ist und was damit passiert. Damit klar ist: Das hier landet nicht im Papierkorb.
2. Stabile Items: Dauerhafte Fragen, die über längere Zeiträume Vergleichbarkeit schaffen. Typische Themen: Unterrichtsorganisation, Lernklima, Verständlichkeit, Fairness, Mitbestimmung.
3. Variable Items: Aktuelle Schwerpunkte, die nur phasenweise wichtig sind – z. B. Projekte, Methoden, digitale Tools.
4. Offene Fragen: Maximal ein bis zwei, gezielt eingesetzt, um qualitative Rückmeldungen zu bekommen, ohne dass alle in Romanen ertrinken.
5. Abschluss: Dank und der klare Hinweis, dass Ergebnisse zurückgemeldet und genutzt werden.
Dazu drei goldene Regeln: klug, kurz, aussagekräftig. Drei bis zehn Fragen reichen. Lieber spitz als schwammig. Und die Sprache muss zur Zielgruppe passen: kurze, einfache Sätze für jüngere Schüler:innen; differenzierter für Ältere; sachlich für Kolleg:innen.
Ob Edkimo oder Mentimeter – egal. Ja, die Tools kosten. Aber wir blasen mehr Geld für Laminierfolien und nutzlose Konferenzordner raus. Entscheidend ist: Feedback darf keine Mehrarbeit werden. Wenn die Auswertung länger dauert als die Vorbereitung der nächsten Stunde oder Sitzung, ist das Ding tot.
So wird Feedback vom nervigen Anhängsel zum echten Werkzeug: kurz, klar, strukturiert – und sofort nutzbar.
Feedback hört nicht an der Klassentür auf
Und genau hier liegt noch ein blinder Fleck: Wir denken bei Feedback fast immer nur an Schüler:innen und Unterricht. Aber Feedback ist auch das, was wir als Kollegium viel zu selten nutzen.
Nehmen wir interne Seminare, Mikrofortbildungen, Fachkonferenzen. Da wird oft präsentiert, diskutiert, vielleicht mal ein Arbeitsauftrag verteilt – und dann gehen alle raus. Aber echtes Feedback? Fehlanzeige.
Dabei wäre gerade da der Hebel groß: Was hat euch geholfen? Was war unnötig? Was nehmt ihr mit? Es klingt banal, aber die meisten Konferenzen laufen so durch, als hätten wir alle Feedback-Allergie.
Dabei geht es nicht darum, dass jede:r nach der Fachkonferenz noch einen Roman schreibt. Es geht um kurze, klare Rückmeldungen, wie wir sie von Schüler:innen einfordern: fünf Minuten, drei Fragen, fertig. Das könnte Schulentwicklung massiv nach vorne bringen. Statt nur über Curricula oder Konzepte zu reden, wüssten wir wirklich, was funktioniert und was eben nicht.
Denn Schulentwicklung ohne Feedback ist wie Unterricht ohne Rückfragen: wir senden, senden, senden – und wissen nicht, ob irgendwas ankommt.
Fazit
Feedback ist kein Blümchen. Es ist eine Zumutung. Aber eine, die uns weiterbringt.
Nicht jeder Unterricht ist großartig, und nicht jede Konferenz ist bahnbrechend. Aber beides kann durch Feedback besser werden.
Wichtig ist, die Kratzer im Ego auszuhalten – und sie ernst zu nehmen.
Denn manchmal reicht ein Ausreißer, ein einzelner Kommentar, um klarer zu sehen als nach hundert Fachkonferenzen und einem ganzen Pädagogik-Seminar.

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