In In meinem Klassenraum hängt eine Klobürste. Nicht, weil wir dort ein geheimes Klo haben. Sondern als Symbol. Als Warnung. Als Mahnung. Und als eindringliches Bild.
Ich wohne in einer Stadt in NRW, die nicht gerade für Sauberkeit oder urbane Ästhetik bekannt ist. Jeden Morgen gehe ich mit meinem Fahrrad durch den Hauptbahnhof. Und komme dabei an den Bahnhofstoiletten vorbei. Ich gehe da nicht rein – aber man muss nicht reingehen, um zu wissen, was da los ist.
Und manchmal frage ich mich dann: Was passiert mit den Kids, die bei uns durchrutschen? Die ohne Abschluss gehen? Die, die irgendwann einfach nicht mehr auftauchen? Was bleibt denen?
Ganz ehrlich: Viel bleibt nicht. Wer keinen Abschluss hat, landet oft in Jobs, bei denen man – sinnbildlich oder ganz konkret – die Scheiße anderer Leute wegmacht. Menschen, die mehr Geld haben. Mehr Chancen. Mehr Schutz. Mehr gesellschaftliche Teilhabe. Und das soll jetzt gar nicht abwertend gegenüber Putzkräften sein – im Gegenteil. Aber: Wer zehn Jahre in die Schule geht, sollte am Ende wenigstens eine Wahl im Leben haben.
Deshalb hängt bei mir im Klassenraum diese Bürste. Eine Klobürste. Sauber. Neu. Nie benutzt. Und trotzdem wirksam.
Wenn meine Klasse völlig ausrastet, wenn gar nichts mehr geht – dann nehme ich sie vom Haken. Ich halte sie hoch. Ich sage Dinge wie:
„Wer keinen Abschluss hat, macht später vielleicht das hier.“
„Bildung bedeutet: Du darfst Nein zur Klobürste sagen.“
Ich lasse die Bürste dann rumgehen. Die Schüler:innen halten sie in der Hand. Fassen Sie an. Und sie merken: Das ist mehr als eine ziemlich schräge Aktion.
Ich weiß, das ist hart. Vielleicht auch drüber. Vielleicht sogar zu provokant. Die meisten meiner Kids wachsen in Armut auf. Sozialhilfe, prekäre Jobs, wenig stabilen (männlichen) Vorbilder, Eltern mit niedriger Bildung, vereinzelt Drogenkonsum, ohne Sprachkompetenz, ohne Selbstwirksamkeit, immer irgendwo ein Bildschirm. Wenn ich ihnen erzähle, dass sie später „vielleicht mal einen Bürojob“ machen können, dann klingt das für viele wie Science-Fiction.
Aber eine Klobürste – die verstehen alle. Die kennt jeder. Und ja, es ist übertrieben. Natürlich. Es ist wieder mal drüber.
Einige Ehemalige haben mir Jahre später gesagt: „Ich denke manchmal noch an die Klobürste.“ Und das reicht. Wenn dieser Moment, dieses Bild, sich eingebrannt hat – dann war es das wert.
Ich mache mir keine Illusionen: Nicht alle werden wegen einer Klobürste durchstarten. Nicht alle werden eine Ausbildung beenden, später glücklich sein, ein gutes Leben haben. Aber sie sollen verstehen, was auf dem Spiel steht. Und dass sie verdammt noch mal eine Wahl haben. Dass Schule keine Warteschleife ist – sondern ein verdammt großes Angebot. Ich will, dass sie sich entscheiden. Für Anstrengung. Für Bildung. Für ein anderes Leben.
Die Klobürste hängt da nicht als Drohung. Sondern als Erinnerung: Du hast’s in der Hand. Jeden Tag.
Und ganz ehrlich: Für manche Kinder ist diese Botschaft mehr Wert als der Satz des Pythagoras.

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