Arbeiten, scrollen, schlafen – uns fehlen die Hobbys

Früher war Hobby: draußen rumrennen, Scheiße bauen, irgendwas lernen, einfach was machen. Heute ist Hobby: Fortnite. TikTok. Chillen. Also: nix. Leere.

Meine Schüler haben keine richtigen Hobbys mehr. Gar keine. Kinder mit Hobbys sind heute wie Fabelwesen – Einhörner mit Fußballschuhen. Einer erzählt, er spielt Gitarre oder geht ins Training? Zack, die Klasse guckt ihn an, als wär er gerade mit ’nem Lama durch die Tür gekommen.

Und wir? Wir Erwachsenen haben das vorgemacht. Alles muss Output haben. Skateboard fahren? Nur wenn’s gefilmt wird. Malen? Nur wenn’s Insta-ready ist. Musik? Ohne „Producer-Mindset“ bist du kein Musiker, sondern nur Hobbyloser. Freizeit ist heute Arbeit ohne Lohn.

Heute passiert genau das: Jeder vergleicht sich sofort mit den Besten. Man sieht nie den Weg, nur das Endprodukt. Auf Insta existiert kein Scheitern. Keine zehn misslungenen Versuche. Keine Langeweile, kein Frust. Nur Perfektion – glattgezogen, durchgefiltert, gefälscht. Und daneben die eigenen Bilder? Die sehen halt aus wie Omas Fotoalbum nach einem Stromausfall. Und das frisst einen auf. Statt zu denken: „Ist doch egal, es ist nur mein Hobby“, schmeißt man’s weg. Redet sich ein: „Ich bin eh schlecht. Ich hab kein Talent.“ Bullshit. Hobbys brauchen kein Talent. Die brauchen nur einen selbst – und die Erlaubnis, kacke zu sein.

Das Schöne an Hobbys war doch mal, dass man sie für sich hatte. Kein großes Publikum. Kein Algorithmus. Nur man selbst. Heute zählt mehr, ob es Content ist, als ob es Spaß macht. Alles ist für den Feed, nichts mehr fürs Herz.

Dabei sind Hobbys mehr als Zeitvertreib. Hobbys sind Leidenschaften fürs Leben. Ich hab als Teenie zum Beispiel Zeitungen austragen, Kohle gespart, SLR-Kamera gekauft. Viele Fotos geknipst, eins aus Versehen für 400 Euro verkauft. Viel mit Photoshop gespielt. Viel persönlich gelernt. Mehr aber nicht. Danach? Hobby im Studium eingeschlafen. Jahre später, im Urlaub, hab ich gemerkt: Scheiße, das fehlt mir. Neue Kamera gekauft – diesmal Leica, weil alt und sentimental. Aber: Ich mach’s nur für mich. Keine Community, keine Reichweite. Genau wie hier im Blog – ich schreibe nicht für Klicks, sondern weil es mir Spaß macht, meine Gedanken festzuhalten.

Und das ist der Punkt: Ein Hobby ist erst richtig gut, wenn man‘s nicht als Wettbewerb sieht. Man lernt durch Hobbys. Es gibt einem Flow, diesen Rausch, der so vielen fehlt. Es macht geduldig, kreativ, zäh. Aber nur, wenn man nicht die ganze Zeit denkt: „Wie monetarisier ich das?“

Und meine Kids? Die haben nicht mal mehr die Chance, schlecht zu sein. Die hängen wie Zombies vor ihren Bildschirmen. Ohne Verein, ohne Bühne, ohne Körper. „Chillen“ heißt bei denen: Verrotten.

Wir müssen zurück. Mehr Hobbys, weniger Hustle. Weg mit der Kosten-Nutzen-Kacke. Ein Hobby schuldet einem nix. Kein Cash, kein Lebenslauf, keine Anerkennung. Es darf einfach nur Spaß sein. Gerne auch schrullig.

Wenn wir das nicht kapieren, verlieren wir mehr als Freizeit. Wir verlieren die Dinge, mit denen wir rausfinden, wer wir sind.

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