Drei Klassenregeln reichen. Ehrlich.

Am Anfang dachte ich, ich müsste mir ein ganzes Regelwerk zulegen, um eine Klasse zu führen. Maximal zehn Regeln, klar formuliert, in Ich-Form natürlich, am besten noch laminiert. So stand es zumindest in jedem zweiten Buch für Klassenlehrkräfte. Heute muss ich darüber schmunzeln. Nicht aus Arroganz, sondern weil ich gelernt habe, dass mehr nicht gleich besser ist. Im Gegenteil.

Unser deutsches Rechtssystem ist da ein schönes Bild: Wir alle wissen, dass man bei Rot nicht über die Ampel geht. Aber was genau in manchen Verordnungen und Gesetzen steht, ist kaum noch nachvollziehbar. Ähnlich geht es mir mit Klassenregeln. Zu viel, zu verkopft, zu wenig Wirkung.

Meine Erkenntnis nach ein paar Jahren im Beruf: Die Basics sind oft schon über die Schulordnung geregelt. Und was darüber hinausgeht, ist oft eine Frage der individuellen Lehrkraft. Bei der einen darf man trinken, bei der anderen nicht. Daran scheitert kein Unterricht.

Entscheidend ist etwas anderes. Und hier kommt mein Lieblingslehrer mr_napoles ins Spiel, dem ich auf Instagram folge. Er hat zwei Regeln in seinem Klassenraum: „Respect everyone“ und „Follow instructions quickly“. Und die treffen erstaunlich gut den Kern.

Respekt ist keine Floskel. Wer andere stört, verletzt Respekt. Wer beleidigt, übergeht, ausgrenzt, tut das ebenso. Und Anweisungen schnell folgen? Klingt autoritär, ist aber schlicht notwendig, damit Unterricht funktioniert. Klar, auch Lehrkräfte machen Fehler – und manches besprechen wir später noch mal gemeinsam. Aber wie im Fußball: Wir diskutieren im Spiel nicht jede Entscheidung der Schiedsrichterin oder des Schiedsrichters. Das Spiel geht weiter. Und genau das ist im Unterricht nicht anders.

Diese beiden Regeln funktionieren im Alltag verdammt gut. Sie sind kein theoretisches Konstrukt, sondern praxistauglich. Sie sind klar, konkret, durchsetzbar – und sie tragen. Jeden Tag. Trotzdem fehlte mir etwas. Das war ein Prozess – über gut anderthalb Jahre hinweg. Mir fehlte ein dritter Punkt: Verantwortung.

Verantwortung für das eigene Leben, das eigene Lernen. Und Verantwortung für die Gemeinschaft. Die Klasse, die Schule, und auch das Land, in dem man lebt. Das ist nicht pathetisch, das ist politisch. Und verdammt konkret. Liegt Müll auf dem Boden? Dann heb ihn auf. Auch wenn er nicht von dir ist. Denn es ist deine Klasse, dein Raum, dein Alltag. Und wenn du Verantwortung übernimmst, dann nicht nur für das, was du tust, sondern auch für das, was du mitträgst. Weil das hier dein Ort ist. Und der soll sauber sein. Punkt.

Diese dritte Regel ist vielleicht die wichtigste für eine Gemeinschaft. Sie fordert Zugehörigkeit ein. Und sie bietet sie an. Verantwortung ist der Beginn von Mündigkeit.

Was ich will: Regeln, die jeder versteht. Ohne Wenn, ohne Ästhetikseminar. Kein Fachsprech, kein Paragraphen-Stil. Sondern Sprache, die sitzt. Und wenn’s mal ein bisschen knallt, umso besser. Regeln müssen sich nicht einschmeicheln. Sie müssen wirken.

  1. Respektiere jeden.
  2. Folge Anweisungen schnell.
  3. Übernimm Verantwortung.

Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Wird sich jede:r daran halten? Natürlich nicht. Aber das tun wir bei Gesetzen ja auch nicht immer. Der Unterschied: Ich bestrafe nicht. Schule ist ein sozialer Mikro-Lernraum. Ich erziehe. Ich begleite, fordere, setze Grenzen, schaffe Lernerfahrungen. Und ich lebe die Regeln, die ich von anderen erwarte.

Und ja: Ich habe dafür Plakate gemacht. Und auch das gehört zur Wahrheit: Ich habe die Plakate selbst „entworfen“, den Druck und den Rahmen selbst bezahlt. Lehrkräfte in Deutschland kaufen sich ihren Job schön. Erst eins, dann ein zweites. Die erste Version habe ich mir bei dem amerikanischen Kollegen abgeschaut – ich glaube nicht, dass er sich dabei groß Gedanken über Gestaltung gemacht hat. Sah aus wie Word, schnell in den PC geballert. Und genau das war ihre Wirkung: Klar, hässlich, aber eindrücklich. Ohne Design, ohne Schnörkel. Ich habe das konsequent 1:1 kopiert. Klare Schrift, dick unterstrichen, weißer Hintergrund, zusätzlich mit Schullogo. Eine Zumutung für ein Auge mit ästhetischem Anspruch. Und genau deswegen unübersehbar.

Die zweite Version ist meine aktuelle. Mit Farbe, mit Bild, mit dritter Regel. Sie passt ins ironische Designschema, das ich für meine Klasse entwickelt habe. Und trotzdem frage ich mich: Ist sie gestalterisch besser als die erste Version? Vielleicht nicht. Vielleicht ist die Hässliche sogar eindrücklicher. Vielleicht braucht es auch das manchmal, damit Regeln nicht nur gesehen, sondern behalten werden. Und selbst wenn nicht: Sie gelten. Ich meine, ich lese mir ja auch nicht morgens beim Zähneputzen die Straßenverkehrsordnung durch, damit ich später den Fahrradweg benutze. Trotzdem halte ich mich dran. Weil klar ist, was gilt. Und genau so soll es mit diesen Regeln sein.

Optik ist hier scheißegal. Sry. Klassenregeln sollen nicht gefallen. Sie sollen gelten.

Und das tun sie. Jeden Tag. Immer wieder neu. Nicht, weil sie irgendwo hängen. Sondern weil sie eingefordert werden. Im Unterricht. In der Klasse. Im Miteinander. Als Haltung. Als Praxis.

Drei Regeln. Kein Wenn. Kein Aber.
Mehr braucht es nicht.

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